Kürzlich bekam ich von meinem Chef den Auftrag: „Dirk, du schreibst mal was über Arbeitsschuhe!“ Warum weiß ich nicht, vermutlich weil ich mir von allen Kollegen hier am häufigsten die Hufe gebrochen und nun wohl am ehesten eine Vorstellung davon habe, wie wertvoll Füße sein können. Wer jemals versucht hat, an Krücken einen Teller Suppe aus der Küche zum Tisch zu transportieren, der weiß, wie wichtig funktionierende Füße sind. Jedenfalls knallte ich die gut geschützten Hacken zusammen und übernahm diese Aufgabe mit preußischer Pflichterfüllung. Er ist halt der Chef. Und somit stehe ich auch unter seinem Stiefel, wie man so sagt. Die Steinzeitmenschen sagten das ganz sicher nicht, denn sie kannten noch keine Schuhe oder Stiefel, dennoch waren sie vermutlich die Ersten, die versuchten ihre Füße durch das Umwickeln mit Fellen oder Blättern zu schützen. Wie Menschen eben alles versuchen zu schützen, was wichtig ist. Es würde auch keinem Handballtorhüter einfallen, sich ohne Suspensorium ins Tor zu stellen. Ebenso sollte auch kein Handwerker oder Industriearbeiter ohne Sicherheitsschuhe arbeiten. Denn diese sind grundsätzlich immer mit einer Zehenschutzkappe aus Kunststoff oder Stahl versehen. Weil man den Besitz von Zehen gar nicht ernst genug nehmen kann. Wenn wir Menschen nämlich keine Zehen hätten, dann würden wir einfach aufs Gesicht fallen. Wir würden versuchen uns wieder aufzurichten und direkt wieder hart aufschlagen. Und so weiter und so fort. Man könnte sagen, um beim Suspensorium zu bleiben: Die Zehen sind die Hoden der Füße. Sehr schmerzempfindlich und wenn sie fehlen oder nicht funktionstüchtig sind, dann kann man mit dem Rest auch nicht mehr so viel anfangen. Deshalb die Schutzkappe. So wird ein Schuh draus. Keine Kappe, keine Sicherheitsschuhe, ganz einfach.
Besagte Kappe muss eine Energieaufnahme von 200 Joule gewährleisten. Immer. Also quasi, wenn ich mein nach diesem Eintrag prall gefülltes, 20 kg schweres Phrasenschwein aus einem Meter Höhe fallen lasse, dann muss die Kappe das verkraften. Sogar bei den Modellen der Klasse SB. Obwohl diese Sicherheitsklasse ansonsten ein ziemlicher Bruder Leichtfuß ist. Zehenschutzkappe, fertig. Quasi Jesuslatschen mit Schutzkappe. Die können sogar hinten offen sein und eignen sich somit wirklich nicht für jeden Beruf. Eine schöne Sache vielleicht im Hotelgewerbe oder dem medizinischen Bereich, für Leute, die im Idealfall immer im Warmen sind und dort beispielsweise die Betten herrichten. Bettenfüße können viel stärker sein als Zehen, das weiß jeder. Da ist es gut, geschützte Zehen zu haben. Und wenn einem einmal ein Federkissen in die ungeschützte Ferse rauscht, dann ist das kein Beinbruch. Wenn man das nächste Mal heiratet, ist alles wieder gut.
Leider gibt auch Leute, deren Fersen deutlich größeren Gefahren ausgesetzt sind. Beispielsweise diejenigen, die professionell für andere Leute einkaufen gehen. Wer ständig die Einkaufswagen anderer in die Achillessehne bekommt, der sollte schon auf SB-Schuhe verzichten und lieber zu Schuhen der Sicherheitsklasse S1 greifen. Auch 200 Joule-Kappe, aber mit abgeschlossenem und stoßdämpfendem Fersenbereich. Mit solchen Schuhen darf auch nach Herzenslust mit den Hacken geknallt werden. Da jubelt der Preuße. Und antistatisch sind S1 auch noch! Problemlos kann man einfach mal Arbeitskollegen umarmen oder an sensibler Elektronik rumspielen, ohne befürchten zu müssen, dass eine elektrische Entladung stattfindet. Benzin kann Sicherheitsklasse 1 nichts anhaben und weil man auf einem Bein nicht stehen kann, findet auch Öl hier seinen Meister. Das ganze Wochenende an der Tankstelle rumstehen und abends in der Disco immer noch intakte Schuhe. Wer dann noch einen guten Stiefel vertragen und eventuell sogar noch auf großem Fuß leben kann, der muss sicher nicht barfuß ins Bett. Aber ich schweife ab und laufe in Fußstapfen, die eindeutig zu groß für mich sind. Konzentrieren wir uns auf das Wesentliche: SB können offen sein und S1 sind zu, Hacken geschützt. Fertig ist die Laube.
Wer allerdings wirklich mal eine Laube bauen will, also nicht nur im übertragenen Sinne, dem wären Sicherheitsschuhe der Klasse S1P wärmstens zu empfehlen. Denn diese sind wie S1 und verfügen zudem sogar noch über eine profilierte Laufsohle und sind durchtrittsicher. Völlig egal, wenn man da mal auf ein Nagelbrett tritt. Merkt man gar nicht. Also richtig gutes Schuhwerk für den Fakir im Anfängerkurs. Aber nageln Sie mich bitte nicht drauf fest. Insgesamt sollte bitte niemand alles das, was ich hier behaupte, zu Hause amateurmäßig austesten. Dafür gibt es Profis. Halten Sie da bitte die Füße still, ich lasse mir für eventuelle Verletzungen nicht die Schuld in die Schuhe schieben. Ich bade das nicht aus. Womit wir auch schon bei den Schuhen der Sicherheitsstufe S 2 wären. Denn die sind wie S 1 und zudem sogar noch beständig gegen Wasserdurchtritt: Sie zeigen sich mindestens 60 Minuten wasserdicht (nicht mehr als 30% Wasseraufnahme durch das Schuhoberteil) und dürfen nach 90 Minuten nur maximal 2 Gramm Wasser durch das Schuhoberteil eindringen lassen. Wahnsinn. Die sind mal so richtig was für Leute, die bei der Arbeit gerne rummantschen. Feuerwehrleute, Gas- und Wasserinstallateure und andere Wasserratten. Die behalten dann trotzdem schön trockene Socken. Und wenn Leute aus solchen Berufen dann noch auf Sicherheitsschuhe S 3 aufmuskeln sollten, dann haben sie wieder die Durchtrittsicherheit und die profilierte Laufsohle dazu.
Das zieht einem glatt die Schuhe aus, oder? Einen Stiefel würde es einem weniger leicht ausziehen. Und damit wären wir schon bei S4. S4 sind nämlich Stiefel, von den Eigenschaften her wie S2. Sie schwächeln ein wenig, was den Wasserdurchtritt betrifft. Die Stiefel sind aber immerhin wasserabweisend und gewährleisten keinen Wassereintritt während der ersten 15 Minuten. Na ja, das haben wir schon besser gesehen. Auch im Punkto Durchtrittsicherheit und Profil gibt es Defizite, die allerdings aufgehoben werden, wenn wir zu S5 wechseln. Ansonsten sind S5 wie S4, wassermäßig etwas schwach auf der Brust.
Ganz kurz nochmal: Mit Kappe 200 Joule sind Sicherheitsschuhe. Keine Kappe, keine Sicherheitsschuhe. SB können hinten offen sein. S1 hinten zu. S2 wasserdicht. S3 profilierte Sohle und durchtrittsicher.
S 4 und S5 Stiefel, S5 durchtrittsicher mit profilierter Sohle wie die Schuhe der Sonderkategorie S1P.
Da sind wir doch schön entspannt auf Schusters Rappen durch die ganzen Hauptkategorien galoppiert. War doch ganz leicht.
Mit den ganzen Zusatzkennzeichnungen will ich hier gar keinen nerven, teilweise würde ich mich da auch wiederholen, ich führe sie nur mal kurz auf.
● A: Antistatische Eigenschaften
● E: Energieaufnahme im Fersenbereich
● P: Durchtrittsicherheit
● M: Schutz des Mittelfußknochens
● CI: Isolierung gegen Kälte
● HI: Isolierung gegen Wärme
● CR: Schnittfester Schaft
● FO: benzin- und ölresistente Sohle
● WR: Sicherheitsschuhe sind wasserabweisend
● WRU: Wasserdurchtritt und Wasseraufnahme des Schaftes
● HRO: Sicherheitsschuhe sind hitzebeständig gegen Kontaktwärme
● ESD: Schutz vor elektrostatischer Entladung
(Die ESD-Kennzeichnung dient nicht dem Personenschutz! Also bitte nicht in eine Steckdose fassen und glauben, die Schuhe würden einen schützen. Überhaupt niemals in Steckdosen fassen!)
Der offizielle Warnhinweis lautet: ESD-Schuhe sind nicht geeignet für Elektriker bzw. bei Arbeiten an elektrische Spannung führenden Quellen.
Gut kann man sich hier merken, dass das M für den Mittelfußknochen steht, dass Cl cold ist und die Hansestadt Rostock (HRO) ein heißes Pflaster.
Wer jetzt noch etwas über Sicherheitsschuhe wissen möchte, der sollte zunächst einmal sich selbst fragen, was mit ihm nicht stimmt. Wenn er sich dann nach genauerer Prüfung immer noch ok findet, ist es Zeit sich an das Deutsche Institut für Normung zu wenden, die haben bestimmt Spaß an sowas. Ich sage mir: Schuster bleib bei deinen Leisten! Schreiben und schreiben sind eindeutig zwei Paar Schuhe. Ich ziehe jetzt meinen Stiefel durch und mache hackenknallend weiter mit der Auftragsbearbeitung, denn damit verdiene ich hier normalerweise mein Geld.